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Während das Publikum von der Vorstellung gebannt ist, muss es sich fragen: Auf wessen Kosten amüsiert man sich hier?
Rheinvar der Großartige
Als die große Jongleur-Vorstellung im Scherbentheater begann, wogten die Emotionen in Paul. Noch vor ein paar Tagen hatte er damit gerechnet, selbst Teil der Show zu sein, als namenloser Bühnenarbeiter hinter den Kulissen. Jetzt fand er sich hoch über der Bühne in einer Privatloge wieder, als Sohn eines Landsraads-Adligen, der auf Beharren der Gouverneurin Kio hin auf einem der besten Plätze im Hause saß. Er zappelte in der Gouverneursloge herum und fühlte sich wie ein Außenseiter.
Neben ihm saß sein Vater in einer förmlichen schwarzen Jacke, auf der das Falkenwappen der Atreides prangte. Die Gouverneurin hatte Paul eine ähnliche schwarze Jacke zur Verfügung gestellt. Jessica sah wunderschön aus in ihrem dunkelgrünen Kleid mit Eisdiamanten, die sehr denen ähnelten, mit denen das Kostüm von Rheinvar dem Großartigen verziert war.
Nachdem Paul die rätselhafte und uneindeutige Warnung Sieltos weitergegeben und dabei verraten hatte, dass die Gestaltwandler zuweilen in heimtückische Assassinenmorde verwickelt waren, hatte Herzog Leto eine finstere Miene gezogen und dann eine Nachricht an Gouverneurin Kio geschickt, in der er sie bat, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken.
Doch Leto hatte beschlossen, sich nicht zu verstecken. »Es gibt immer Drohungen gegen uns, Paul, und dadurch dürfen wir uns nicht davon abhalten lassen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Alte Herzog hat oft zu mir gesagt: ›Wenn die Angst über uns herrscht, dann verdienen wir es nicht zu herrschen.‹«
Paul saß schweigend in seinem Zimmer. Das Essen auf dem Tisch hatte er kaum angerührt, und es rumorte in seinem Magen. Es war schrecklich für ihn, seinen Vater, den er zutiefst bewunderte, zu enttäuschen. »Ich werde mich bessern, Herr. Ich verspreche es.«
»Das will ich hoffen.« Dann nahm Herzog Letos Gesicht einen sanfteren Ausdruck an. »Außerdem würde ich eine Vorstellung, die dir so wichtig ist, nicht verpassen wollen.«
Erstaunlicherweise wirkte der Herzog nun völlig entspannt und schien nichts zu fürchten, weshalb Paul ähnlich empfand. Als er und seine Familie am Theater eintrafen, fielen ihnen sofort die verschärften Sicherheitsvorkehrungen auf. Gouverneurin Kios rot uniformierte Wachen waren in höchster Alarmbereitschaft, untersuchten jeden, der das Gelände betrat, genauestens auf Waffen und schickten Suchtrupps in jede Ecke des Gebäudes. Natürlich waren Sielto und seine Gestaltwandler-Komplizen dazu in der Lage, wie jede beliebige andere Person auszusehen, aber zumindest war Paul dahingehend beruhigt, dass sie keine Waffen einschmuggeln konnten.
Unter ihnen im panoramischen Bühnenbereich sprang der lebhafte Anführer der Jongleurs auf die Bühne, als das Licht heller und von der kristallinen Architektur verstärkt und in Regenbogenfarben gebrochen wurde. Rheinvars Stimme hallte durch den Saal, der mit Tausenden von Zuschauern gefüllt war. »Jeder im Publikum ist unser Freund. Wir heißen Sie alle willkommen, um die jüngst vollzogene Verlobung der Gouverneurin Kio mit Preto Heiron zu feiern.« Er hob die Arme, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu lenken, als wäre er die vorherrschende Gravitationsquelle im Raum.
Alra Kio erhob sich herrschaftlich von ihrem großen Sitz in der Mitte der Loge. Sie trug eine Tiara aus Goldfäden über dem dunklen Haar, und auf ihrem Kleid glitzerten dünne Bänder gewobenen Glases. Sie streckte die Linke aus, um Preto bei der Hand zu nehmen, und zog den muskulösen jungen Künstler auf die Füße. Ihr Liebhaber zeigte jugendliche Begeisterung und eine Spur Schüchternheit, während er sich vor der gewaltigen Menge verbeugte.
Als das Publikum applaudierte, spürte Paul, dass der Jubel nicht so überbordend war, wie er hätte sein sollen. Geflissentlich ließ Gouverneurin Kio sich nicht anmerken, ob ihr etwas auffiel, doch auf den Stehplätzen klangen ganze Abschnitte gedämpft.
Paul konnte nicht aufhören, über Sieltos seltsame Bemerkungen nachzudenken. Die feinen Sinne der Gestaltwandler mussten sie auf den Disput in Adelskreisen aufmerksam gemacht haben. Hatte man sie angeheuert, um einen weiteren »notwendigen Assassinenmord« zu begehen? Oder drohte eine ganz andere Gefahr?
Graf Rhombur Vernius saß zur Rechten der Gouverneurin in einem verstärkten Sitz. Förmliche Staatsgewänder und eine lockere Schärpe bedeckten die offensichtlichsten Prothesen, aber seine Narben ließen sich nicht verbergen. Die Motoren, die seinen Körper antrieben, brummten mit gezügelter Kraft.
Dr. Wellington Yueh, der stets auf seinen Langzeitpatienten achtgab, hatte einen Platz im rückwärtigen Teil der Loge, von wo aus er Rhombur leichter beobachten konnte, obwohl er dadurch einen schlechteren Blick auf die Vorstellung hatte. Neben dem Grafen und Paul gegenüber saß Bronso, der begierig darauf wartete, dass die Darsteller die Bühne betraten. Er schien fasziniert von den Bühnenillusionen und den blendenden Lichtern, bei deren Aufbau er mitgeholfen hatte.
Den subtilen Anzeichen in Gesichtszügen und Körpersprache, die zu erkennen seine Mutter ihm beigebracht hatte, konnte Paul entnehmen, dass sowohl Bronso als auch sein Vater erschöpft waren. Obwohl er ihre Diskussionen nicht verfolgt hatte, konnte Paul sich vorstellen, wie ausgelaugt die beiden sich fühlen mussten. Ihre Vater-Sohn-Beziehung hatte sich in einen Hurrikan verwandelt, ihre Bindung zueinander war verdreht und zerrissen und anschließend als brüchige Konstruktion wiederhergestellt worden, die erst mit der Zeit erstarken würde.
Der Rotschopf warf einen Blick zu Paul und wandte sich dann ab, offenbar peinlich berührt und voller Scham. Rhombur wirkte vor allem wütend auf Bronso, weil er Herzog Letos Sohn in Gefahr gebracht hatte, und nicht so sehr wegen der Risiken, die der Junge selbst eingegangen war.
Nachdem der Anführer der Jongleurs mit seiner Ankündigung fertig war, liefen die Gestaltwandler auf die Bühne. Sie waren mit voluminösen, bunten Kostümen herausgeputzt, bei denen es sich um alberne Übertreibungen von Adelsmoden handelte. Ihre Frisuren waren noch einmal halb so groß wie sie selbst, und sie trugen Ärmel, deren offene Aufschläge groß genug waren, um ganze Kleinkinder darin einzuwickeln. Die Luft schimmerte, und die Holo-Kulissen verfestigten sich und erzeugten eine durchscheinende Illusion, durchdrungen von den hellen Reflexionen der Kristallfacetten.
Eine Nebelmaschine spuckte Wolken wogenden Dunstes in den oberen Bereich des Saals, um Gewitterwolken zu simulieren. Weißes Licht und Laserstrahlen blitzten auf und wurden von den Spiegeln hin und her geworfen, so dass sich ein wunderschönes Lichtgewebe ergab. Mit donnernder Stimme rief Rheinvar seinen Darstellern zu: »Worauf wartet ihr? Lasst die Show beginnen!«
Zwei der agilsten Artisten breiteten die riesigen gefiederten Kostümschwingen aus und sprangen von hohen durchsichtigen Gestellen, getragen von den Suspensoren in ihren Anzügen. Sie stießen wie Falken zur Bühne hinab, dann zogen die geflügelten Darsteller wieder in die dichten Wolken hoch, gefolgt von einem Geflecht von Lichtstrahlen, das ein Netz in die Luft zeichnete. Die Menge schnappte nach Luft und applaudierte laut.
Paul, der die technischen Aspekte der Vorführung bewunderte, schaute mit zusammengekniffenen Augen auf die Spiegelarrangements, die er und Bronso installiert hatten. Sein Blick folgte den Verbindungslinien, und er dachte an das Muster, das er mehrmals überprüft hatte. Es war ein kompliziertes Netzwerk, komponiert aus zahlreichen Lichtfäden, doch Paul war sehr sorgfältig gewesen, als er das Gitter eingerichtet hatte, und er erinnerte sich an jeden einzelnen Schritt dieses Vorgangs.
Doch langsam spürte er, dass etwas nicht ganz stimmte. Er und Bronso hatten sich genau an Rheinvars Anweisungen gehalten: Sie hatten die Lichtwege geprüft, jeden einzelnen Spiegel ausgerichtet und die Reflexionen immer wieder nachjustiert. Er kannte jeden Faden des Musters, das sie festgelegt hatten, und die Positionen der fünf Verstärker.
Obwohl das erstaunliche Gewebe aus Licht wunderschön und schwindelerregend war, sah er, dass einige der Winkel nicht stimmten. Mehrere entscheidende Kreuzungen waren nicht an der richtigen Stelle. Niemandem sonst wäre es aufgefallen, doch Paul sah zusätzliche Strahlen, Knotenpunkte, die dort nicht hingehörten. Es war, als hätte er mit einem fünfzackigen Stern gerechnet und würde nun stattdessen einen sechszackigen sehen – nur dutzendfach komplizierter. Er versuchte Bronsos Aufmerksamkeit zu erregen, doch sein Freund saß am anderen Ende des Balkons und war völlig von der Vorstellung gefangengenommen.
Paul, dessen Puls sich beschleunigte, wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Spiegeln zu, mit denen die prismatischen Wände übersät waren, um zu verstehen, was sich verändert hatte. Schon bald sollte eine der größten Eruptionen stattfinden, ein Fischernetz aus glühenden Lichtsträhnen, der Höhepunkt am Ende des ersten Akts.
Er fand keine andere Erklärung: Anscheinend war jemand dort hinaufgeklettert, hatte die Spiegelflächen bewegt und eine Zwischenstation eingebaut, die genauso aussah wie die anderen ... einen Verstärker. Aber wer hätte dort einen Verstärker platzieren sollen?
Vielleicht hatte Rheinvar andere Bühnenarbeiter darum gebeten, den Aufbau zu verändern. Vielleicht war die Erklärung ganz einfach und unverfänglich.
Andererseits hatte Sielto ihn zur Vorsicht gemahnt ...
Als die Gestaltwandler einen weiteren Höhepunkt erreichten, schob sich Paul auf seinem Sitz nach vorn. Die simulierten Gewitterwolken wurden dichter, und Donnergrollen hallte im großartigen Scherbentheater wider.
Pauls Blick folgte dem Pfad, den das nächste Strahlennetzwerk zum Punkt des Zusammenflusses nehmen würde, und plötzlich wusste er, dass der zusätzliche Verstärker etwas Schlechtes bedeutete, dass es sich um etwas handelte, mit dem man die Architektur des Theaters in gefährlicher Weise zweckentfremden konnte. Er hatte keine Zeit, es seinem Vater zu erklären – aber er wusste, was er zu tun hatte.
Das dramatische Gewitter erreichte seinen Höhepunkt, und die fliegenden Gestaltwandler landeten zwischen den anderen kostümierten Gestalten, um einen komplizierten Tanz zu beginnen, der das Finale der ersten Vorstellungshälfte bilden würde.
Paul rief Alra Kio zu: »Gouverneurin, passen Sie auf!« Sie machte eine wegwerfende Geste mitten im simulierten Donner, doch Paul warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Gouverneurin und stieß sie von ihrem Stuhl und gegen Preto Heiron. Gemeinsam stürzten sie zu Boden.
Ein Tanz heißer Fäden, gebündeltes Licht, das von einem Spiegel zum nächsten sprang, schoss durch den Verstärker und wurde in eine Energiekeule verwandelt. Der Strahl aus Hitze und ionisierter Luft verdampfte den wackelnden Stuhl, auf dem die Gouverneurin gesessen hatte, und schleuderte Holzssplitter wie Nadelmunition in alle Richtungen davon. Nebenstrahlen, die vom prismatischen Balkon abgelenkt wurden, entzündeten hängende Banner, einen kleinen Büfettisch und die rote Uniform einer Wache.
Der Impuls hielt weniger als eine Sekunde lang an, und in der plötzlichen ohrenbetäubenden Stille stolperten die Angehörigen von Rheinvars Theatertruppe und verharrten in ihrem Tanz. Das benommene Publikum zögerte und atmete kollektiv ein, im Versuch zu ergründen, ob das, was man soeben gesehen hatte, Teil der Vorstellung war. Ein großer, schwarzer Stern auf dem Balkon der Gouverneurin zeigte, wo der tödliche Strahl eingeschlagen war.
Herzog Leto griff seinen Sohn an der Schulter. »Paul, ist alles in Ordnung?«
Der junge Mann kam taumelnd auf die Beine und versuchte sich zu sammeln. »Sie war in Gefahr, Herr. Ich habe gesehen, was zu tun war.«
Die Gouverneurin blickte ihn schockiert an, dann blaffte sie ihre Wachen an. »Und ihr habt es alle übersehen, trotz der Warnungen dieses Jungen und seines Vaters! Es wird eine sorgfältige Untersuchung geben, und ich will, dass jeder Verantwortliche verhaftet wird.«
Es gelang den balutanischen Wachen, die Brandherde zu löschen und die Ausgänge zu versperren, als erwarteten sie eine militärische Attacke auf die Privatloge. Dr. Yueh untersuchte Kio und Preto Heiron schnell auf Verletzungen.
Das entsetzte Publikum erhob sich von den Sitzen und versuchte zu entkommen, wobei einige die anderen panisch aus dem Weg stießen. Die Platzanweiser und Sicherheitsleute übernahmen die Kontrolle über das Lautsprechersystem und befahlen, dass die Vorstellung abgebrochen werden und alle auf ihren Plätzen bleiben sollten. Kaum jemand achtete auf ihre Aufrufe zur Besonnenheit.
Im mittleren Bühnenbereich drängten sich ein gehetzter Rheinvar und seine Gestaltwandler aneinander. Die fliegenden Darsteller hatten ihre Kostümflügel abgenommen, und jetzt stand die gesamte Truppe Rücken an Rücken da, bereit, um ihr Leben zu kämpfen, falls die Menge sich gegen sie wenden sollte. Als Paul zu ihnen blickte, waberten sie, und weitere Publikumsmitglieder schrien und riefen in Richtung Bühne.
Paul sah, was die anderen nicht sehen konnten: Rheinvar hatte seine Fähigkeiten als Meister-Jongleur eingesetzt, um seine Truppe zu verbergen und sie vor den Augen der meisten Zuschauer verschwinden zu lassen. Waren sie Teil des fehlgeschlagenen Mordversuchs, oder schützten sie sich nur vor dem Mob?
»Es ist jetzt vorbei«, sagte Jessica. »Paul, du hast der Gouverneurin das Leben gerettet, vielleicht sogar uns allen.«
Wachen strömten auf den Balkon, viel zu spät, um noch etwas zu unternehmen, doch auf der Suche nach weiteren verstohlenen Assassinen.
Leto schüttelte den Kopf, und seine umwölkte Miene war voller Zorn. »Woher wusstest du das, Paul? Was hast du gesehen?«
Paul, der dort stand, wo sich der Stuhl der Gouverneurin befunden hatte, erklärte es, während er versuchte, Atem zu schöpfen. »Die Strahlenwege sind verändert worden, jemand hat Spiegel und Verstärker hinzugefügt. Mit seiner Architektur ist das Theater selbst zur Waffe geworden. Wenn du dir die Blaupausen des Aufführungsbereichs ansiehst, wirst du erkennen, was ich meine.«
Rhombur trat vor und grinste Paul an. »Zinnoberrote Hölle, gute Arbeit, junger Mann!«
Paul wollte nicht allen Ruhm für sich in Anspruch nehmen. »Bronso hätte es auch sehen können.«
Der andere Junge trat dicht an sie heran. Sein Gesicht war bleich, und er hatte die Augen aufgerissen. »Ich hätte früher darauf kommen müssen. Rheinvar hat uns von dem ursprünglichen Architekten erzählt, vom verlorenen Geheimnis des Theaters, das er mit ins Grab genommen hat. Das Scherbentheater wurde als Ansammlung von Fokuslinsen entworfen, um genau solche Mordanschläge zu ermöglichen. Offenbar ist das Geheimnis doch nicht ganz in Vergessenheit geraten.«
Rhombur klopfte Paul auf die Schulter, wobei er die Kraft seiner künstlichen Gliedmaßen gerade noch unter Kontrolle hielt. »Aber es war deine Leistung, junger Mann. Leto, sei stolz auf ihn!«
»Zweifle niemals an meinem Stolz auf meinen Sohn, Rhombur. Er weiß davon.«
Dann hielt der Cyborg-Graf inne, als würde etwas in seinem Hinterkopf nach Aufmerksamkeit verlangen. Ein Dutzend Wachen stöberte zwischen den Logensitzen herum, während andere bereits die Gouverneurin in Sicherheit gebracht hatten. Die Rufe und der allgemeine Tumult erzeugten eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse, doch Rhombur konzentrierte sich weiter und brachte sein verstärktes Gehör zum Einsatz. »Hört ihr diese Vibration? Diesen hohen Ton?«
Nachdem man Paul darauf aufmerksam gemacht hatte, spürte auch er, dass die kristallinen Stützen des Balkons wie eine Stimmgabel vibrierten. »Eine Art Resonanz?«, fragte er. Plötzlich wurde ihm klar, dass die gesamte Struktur des Scherbentheaters darauf ausgelegt war, nicht nur Licht zu reflektieren und zu verstärken, sondern auch Schall.
Waren die Laser vielleicht nur eine Eröffnungssalve gewesen? Ein Auslöser, um die Vibrationen in den vielen Kristallschichten zu erzeugen, so dass die Töne hin und her reflektiert wurden, bis eine stehende Welle entstand? Der Schall würde sich weiter aufbauen, aber die Verzögerung würde ausreichen, um andere näher heranzulocken ...
Rhombur bewegte sich mit aller Kraft und Geschwindigkeit, die sein Cyborg-Körper aufbringen konnte. Er schob Bronso beiseite und stieß Paul ans andere Ende des Balkons. »Bewegung!«
Doch er selbst schaffte es nicht mehr. Der unsichtbare, aber mächtige akustische Hammer traf Rhombur mit der Kraft zweier kollidierender Heighliner, zerschmetterte ihn zwischen zwei zusammenschlagenden Schallmauern.
Er zerknitterte.
Die Echos der Entladung schmerzten Paul in den Ohren und ließen seinen Schädel dröhnen. Er stemmte sich auf Händen und Knien hoch und schaute sich um. Es hatte seine beiden Eltern getroffen. Jessica wankte desorientiert umher, aber sie war nicht schwer verletzt.
Paul war benommen, und in seinem Hinterkopf hielt das Dröhnen an. Eine Falle ... eine doppelte Falle. Erst der konzentrierte Strahl der gebündelten Laser, und wenige Augenblicke später eine Schallattacke. Mörderische Licht- und Ton-Angriffe.
Drei von Kios Wachen in der Nähe hatte es zerschmettert. Sie waren bereits tot, als sie zu Boden stürzten. Aber Rhombur ...
Trotz seiner künstlichen Verstärkungen, seines polymerbeschichteten Rumpfs und seiner Armprothesen war das Rückgrat des Grafen verbogen, als hätte ihn jemand an Schultern und Unterleib gepackt und ihn herumgedreht wie den Deckel eines widerspenstigen Behälters. Sein rechter Prothesenarm war eingeknickt. Blut strömte ihm aus Nase und Augen, und Blutergüsse verdunkelten seine Wangen unter der zerdrückten Haut.
»Rhombur!« Leto warf sich neben seinem Freund zu Boden, der im Zentrum der unsichtbaren Entladung gestanden hatte. »Yueh, helfen Sie ihm!«
Der Suk-Arzt hatte stets eine kleine Arzttasche für den Notfall dabei, aber nichts, was dieser Lage angemessen wäre. Er kniete sich neben die zerschmetterten Überreste seines wichtigsten Patienten.
Bronso ging in die Knie und schluchzte neben dem gefallenen Mann. Er berührte ihn an der eingedrückten Schulter. »Vater ... Vater! Nicht jetzt ... Ich kann das Haus Vernius nicht ohne dich führen! Es steht zu viel auf dem Spiel, es gibt zu viel, was wir einander noch sagen müssen!«
Graf Rhombur Vernius öffnete die Augen, und ein unverständliches Krächzen drang aus seiner Kehle. Seine künstlichen Lungen arbeiteten schwer, und er bekam kaum noch Luft. Blut und Nährflüssigkeiten bedeckten sein Gesicht und liefen auf den Boden.
Bronso beugte sich über ihn und fuhr fort: »Ich liebe dich ... Ich vergebe dir! Es tut mir leid, was ich getan habe, dass ich dich verlassen habe, dass ich mich von dir losgesagt ...«
Rhombur zuckte, sammelte sich und mobilisierte seine letzten Energien. Er konnte keinen von ihnen sehen, und er schaffte es kaum, seine gebrochenen Gedanken zu Worten zu formen. Bronso beugte sich dicht über ihn, im verzweifelten Wunsch, die letzten Worte seines Vaters zu hören.
Rhombur flüsterte: »Ist Paul ... in Sicherheit?«
Dann erzitterte er und starb.
Bronso fuhr zurück, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Paul trat einen Schritt näher, um ihm zu sagen, wie leid es ihm tat, doch Bronso schlug wild nach ihm. Dann brach er weinend neben dem zertrümmerten, leblosen Leib zusammen.